Das Kind mit weniger Zeitdruck zur Kita bringen und es am Nachmittag selbst abholen – statt es bis zum Abend von einem Babysitter oder einer Babysitterin betreuen zu lassen. Morgens eine halbe Stunde länger schlafen können, weil die Nacht schlecht war und der Weg zum Schreibtisch nur wenige Sekunden dauert. Gleitzeit, selbstbestimmte Arbeitszeiten und Homeoffice versprechen, Job und Familienleben besser vereinbaren zu können. Besser heißt: mit weniger Stress und mehr Freiräumen zur Erholung. In der Realität trifft diese Annahme jedoch nicht zu, wie eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Mehr noch: Das traditionelle Bild der für die Kinderbetreuung zuständigen Frau wird durch flexibles Arbeiten nur noch verstärkt.

Mütter, die von zu Hause aus arbeiten, investieren demnach pro Woche drei Stunden mehr in die Betreuung ihrer Kinder als Mütter, die täglich ins Büro fahren. Mütter, die ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen können, kümmern sich pro Woche eineinhalb Stunden mehr um ihren Nachwuchs als Mütter mit festen Arbeitszeiten. Mehr Zeit also für Musikschule oder Schwimmkurs. Schafft die Flexibilität folglich einen Mehrwert? "Ein Gewinn ist nicht zu beobachten", sagt Studienautorin Yvonne Lott. Im Gegenteil: "Die Ergebnisse deuten auf eine Doppelbelastung von Müttern hin."

Den Job von zu Hause aus zu stemmen, heißt für Mütter nämlich auch: Eine Stunde pro Woche mehr zu arbeiten als Mütter ohne Homeoffice. Hinzu kommen die Arbeitszeiten: "Frauen unterbrechen ihre Arbeit immer wieder für die Kinder und sitzen abends lange am Schreibtisch", sagt Lott. "Die Tage fransen aus." Was sich die Wissenschaftlerin in ihrer Studie nicht angeschaut hat: Die Zeit, die Frauen zusätzlich zu Job und Kinderbetreuung in Hausarbeit investieren, also in Staubsaugen, Putzen, Müll wegbringen.

Hat das Kind Fieber, wird die Mutter angerufen

Auch Väter arbeiten länger, wenn ihr Schreibtisch zu Hause steht: Sie machen pro Woche zwei Überstunden mehr als Väter, die nie im Homeoffice sind. Kümmern sie sich folglich auch mehr um ihre Kinder? Nein. Der Studie zufolge investieren Männer pro Woche durchschnittlich 13 Stunden in Sorgearbeit, also in Kinderbetreuung. Ob sie im Homeoffice arbeiten oder nicht, macht dabei keinen Unterschied. Arbeiten Väter in Gleitzeit oder mit selbstbestimmten Arbeitszeiten, betreuen sie ihre Kinder unter der Woche sogar noch seltener: rund 45 Minuten weniger als Väter mit festen Arbeitszeiten.

Hinzu kommt: "Väter arbeiten in der Regel en bloc und teilen sich anders als Frauen nicht auf", sagt Lott. Einen Grund dafür sieht die Studienautorin in den in unserer Gesellschaft vorherrschenden traditionellen Geschlechterbildern. "Männer sind seltener Ansprechpartner, wenn es um Familie geht, die Hauptverantwortung liegt bei der Frau." Erzieherinnen und Erzieher riefen etwa eher die Mutter an, wenn das Kind Fieber hat und aus der Kita abgeholt werden müsse, sagt Lott.

Die Doppelbelastung der Mütter trotz flexibler Arbeitszeiten ist aus Sicht der Autorin auch den sich widersprechenden Erwartungen geschuldet, die Vorgesetzte sowie Kollegen und Kolleginnen haben: Als ideale Mutter soll die Familie für sie an erster Stelle kommen. Flexible Arbeitsmodelle würden daher in der Regel als legitim angesehen, damit Frauen ihren anderen Verpflichtungen nachkommen könnten, sagt Lott. Wollen Frauen aber beruflich vorankommen, müssten sie den Job allem anderen vorziehen. Mit diesem Dilemma würden Mütter in den Betrieben oft alleingelassen.

Männern hingegen werde nach wie vor die Ernährerrolle zugeschrieben, vor allem Vätern. "Sie gelten dann als ideal, wenn sie den Job priorisieren", sagt Lott. "Trotz Zunahme der Erwerbsarbeit von Frauen hat sich an der Arbeitsteilung in den vergangenen Jahren wenig verändert." Einen Beitrag zur ungleichen Verteilung von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit leiste zudem das Ehegattensplittig. Es setze für Frauen den Fehlanreiz, in der Familienphase beruflich zurückzutreten. 

Keine Zeit für Schlafen oder Nichtstun

Durch flexible Arbeitsmodelle können Beschäftigte neben der Kinderbetreuung auch mehr Zeit für sich selbst gewinnen – etwa für Sport, Schlafen oder Nichtstun. Die Studienergebnisse zeigen aber, dass die Flexibilität kein Mehr an Freizeit bietet und viel mehr zu Lasten sowohl von Müttern als auch von Vätern geht. Während selbstbestimmte Arbeitszeiten allerdings für beide Geschlechter weniger Erholung bedeuten, sind Homeoffice und Gleitzeit allein für Mütter nachteilig. Sie kommen mit Gleitzeit auf 4,5 Stunden Freizeit in der Woche, bei Männern sind es im Durchschnitt sechs Stunden.

Ein Grund dafür ist Lott zufolge der Stress, dem Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung durch Job und Familie ausgesetzt sind. Sie hätten häufiger mit Unsicherheiten und Unvorhergesehenem zu kämpfen, während Männer gezielter planen könnten. Feste Arbeitszeiten und ein Schreibtisch im Büro haben für Mütter übrigens einen weiteren Vorteil: Sie schlafen am längsten – im Schnitt mindestens zehn Minuten mehr als Mütter, die im Homeoffice arbeiten, und sieben Minuten mehr als Mütter, die in Gleitzeit arbeiten. 

Datengrundlage von Lotts Analysen ist das Sozio-oekonomische Panel. Berücksichtigt wurden abhängig beschäftigte Mütter und Väter im Alter von 18 bis 65 Jahren, die mit mindestens einem minderjährigen Kind zusammenleben. Gleitzeit und völlig selbstbestimmte Arbeitszeiten wurden zwischen 2003 und 2016 etwa alle zwei Jahre abgefragt. Homeoffice wurde als Aspekt immer wieder in den Fragebogen aufgenommen.